In den Workshops zum Thema Gefährdungsbeurteilung Psychische Belastung fällt mir immer wieder auf, dass der Begriff Burnout zwar “wie Odol in aller Munde” ist, aber inhaltlich doch wenig konkretes Wissen dazu vorhanden scheint. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Thematisierung soll hier ein kurzer Abriss zu frühen Symptomen, Verlauf und Prävention gegeben werden.
Burnout hat selten nur eine Ursache. Neben dem Risikofaktor jahrelanger, beruflicher Stressexposition durch z. B. Arbeitsüberlastung, Zeitdruck, unrealistischen Zielvorgaben, mangelnder Wertschätzung, Ungerechtigkeiten oder Wertekonflikten, können genetische Faktoren und akute oder dauerhafte persönliche Überlastungssituationen zur Erkrankung führen.
Das sogenannte „Ausgebranntsein“ betrifft ca. 20% der Bevölkerung, wobei Frauen häufiger als Männer davon betroffen sind. Burnout wird oft zu spät erkannt und kann, bleibt es unbehandelt, die Lebenserwartung verkürzen.
Häufig entwickelt sich ein Burnout sehr langsam über Monate bis Jahre. Ist das Vollbild mit Depression und anderen flankierenden Symptomen oder Erkrankungen erkennbar, halten sich diese leider auch hartnäckig. Das bedeutet, dass Mitarbeitende langfristig arbeitsunfähig sind. Die Ausfallzeiten variieren von mindestens sechs Wochen bis (in schweren Fällen) zu zwei Jahren. Manche Betroffene erreichen ihr volles Leistungsniveau nach dieser Erkrankung nicht mehr.
Burnout ist bisher nicht „eigenständige“ Erkrankung, sondern in der ICD-10-GM- Klassifikation als Syndrom mit der Bezeichnung Z73 Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung beschrieben.
Der Verlauf eines Burnouts kann sich in verschiedenen Facetten zeigen, die Phasen sind nicht trennscharf voneinander abzugrenzen und bieten hier lediglich erste Anhaltspunkte, um mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen.
Leitmerkmale
Chronische Erschöpfung (emotional und körperlich)
Zynismus (v. a. gegenüber Klienten, Patienten, der beruflichen Tätigkeit an sich)
Leistungsminderung (zunehmender Verlust der Leistungsfähigkeit, Selbstvertrauen nimmt ab)
Ohnmacht (Gefühle von Kontrollverlust)
Stadium 1 Warnsymptome
- Sehr hohes berufliches Engagement
- Gefühl der Unentbehrlichkeit
- Beruf = hauptsächlicher Lebensinhalt
- Arbeitskollegen werden oft als ungenügend qualifiziert abgewertet
- Unfähigkeit, sich zu entspannen
- Missachten/ Übergehen eigener Bedürfnisse
Stadium 2 Nachlassendes Engagement
- Zunehmende Unsicherheit
- Fehlender Überblick
- Kognitive Auffälligkeiten (Vergesslichkeit, abnehmende Konzentrationsfähigkeit, geringe Motivation)
- Dienst nach Vorschrift
- Verstärkter Rückzug ins Private
- Gereiztheit, Aggressivität
- Desinteresse an Familie, Partner, Hobbies
Stadium 3 Emotionale Verflachung
- Im Mittelpunkt steht immer noch die Arbeit
- Zunehmende Gleichgültigkeit
- Einsamkeit, Abstumpfung
- Verstärkter Pessimismus
- Hohe Konzentration auf die eigene Person, den eigenen Nutzen
- Verringerte soziale Kontakte
- Missbrauch selbstschädigender Substanzen (Alkohol, Nikotin, Medikamente)
- Freizeit, Urlaub: sind zusätzliche Belastung und Stress, kaum Erholung möglich
Stadium 4 (Psycho-) somatische Reaktionen…
- Geschwächtes Immunsystem mit erhöhter Infektanfälligkeit
- Physische Symptome: Kopfschmerzen, Migräne, Tinnitus, Schwindel, Schlafstörungen, Kreislaufprobleme, Verdauungsprobleme, Magen-Darm-Beschwerden, Sodbrennen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzstolpern, Herzrasen, Bluthochdruck,
- Gesteigerter Missbrauch selbstschädigender Substanzen
Stadium 5 Psychische Auffälligkeiten/ Erkrankungen
- Verzweiflung
- Depressive Verstimmungen: Freud-, Appetitlosigkeit, Denken verlangsamt, Fokus auf schlechtes Befinden
- Stressdepression (Überaktivität des Emotionsregulationszentrums/ geschlechtsspezifische Unterschiede)
- Suizidale Gedanken (-handlungen)
Die Behandlung eines Burnouts richtet sich je nach Stadium und der allgemeinen Verfasstheit der Betroffenen. Häufig findet diese auf individueller Ebene statt, jedoch sind auch Veränderungen im Arbeitskontext für den Therapieerfolg entscheidend.
- Individuell, mitunter auch stationäre Aufenthalte
- Bei körperlichen Beschwerden: Ärztliche Abklärung mit entsprechender medikamentöser Behandlung (auch symptomatisch)
- Psychotherapie
- Komplementärmedizinische Unterstützung
- Coaching/ Beratung im Arbeitskontext
Prävention
Um Burnout vorzubeugen, ist die Identifikation von Belastungsfaktoren wesentlich. Vor allem die Kommunikation mit dem Team oder potentiell Betroffenen, sowie die Aufklärung über die „Erkrankung“ sind bedeutsam.
Im Arbeitskontext können folgende Impulse zur Veränderung sinnvoll sein:
- Veränderungen der Arbeitsabläufe/ Arbeitsorganisation
- Supervision
- Teambezogenes Coaching
- Anpassen des Arbeitspensums
- Ausgewogenheit zwischen An – und Entspannung
- Detachement fördern
- Realistische Ziele setzen/ Erwartungsmanagement
- Handlungsspielraum und Kontrolle ermöglichen
- Wertschätzung
- Beurteilung der Arbeitsbedingungen/ Gefährdungsbeurteilung Psychische Belastung nach ArbSchG§5 durchführen
- BEM- Prozess etablieren
Wie oben beschrieben, ist natürlich nicht nur der Arbeitgeber für den individuellen Umgang mit den täglichen Herausforderungen und der Stressverarbeitung verantwortlich, sondern auch jeder Einzelne. Wer bei sich oder Kollegen Auffälligkeiten und erste Anzeichen eines möglichen Burnouts beobachtet, sollte sich nicht scheuen, entsprechende Schritte einzuleiten. Günstig ist es, zunächst das Gespräch mit dem Betroffenen und/ oder Vorgesetzten zu suchen.